Hofrat Joseph Benzino, Stifter der Pfalzgalerie
Biographische Skizzen von Dipl.-Ing. Robert Jung
Jeder, der den Versuch unternimmt, sich mit der Person des Joseph Benzino zu befassen, wird sogleich mit dem bedauernswerten Umstand konfrontiert, daß es dazu bislang eigentlich nur recht wenig als Quellenmaterial auszuwerten gibt.

Aus einer höheren Sicht muß aber dieser Umstand für die Wahrung eines gebührenden Erinnerns an einen auf angenehme Weise herausragenden Menschen durchaus nicht schädlich sein. Es mag vielleicht allein schon genügen, wenn gute Taten eines Einzelnen von den Nachgekommenen in der Erinnerung behalten bleiben; und wenn auch andererseits die Geschichte nicht allzuviel zu berichten weiß, so kann dies vom Wesen eines Menschen zumindest die eine oder andere Facette aufleuchten lassen, so daß derselbe an seinen Taten zu erkennen sei.

So sah sich im Jahre 1928 der Autor Karl Lohmeyer [08] gerade zu der Bemerkung veranlaßt :
"Es ist zu beklagen, daß das städtische Archiv in Landstuhl so überaus wenig Material enthält, so daß es schwer wird, ältere Ereignisse aktenkundig festzustellen".- Das Problem, mit dem man es eben zu tun hat, scheint also ein allgemeines zu sein, auch für den nämlichen Fall.

Nun, jedes Menschenleben wird von vornherein bestimmt, von dem, was in ihm aus seinen Ahnen von überkommenen geistig-psychischen Strukturen sich manifestiert, auch in Verbindung mit den ererbten materiellen Grundlagen und sonstigen Chancen.

Von derartigen Überlegungen ausgehend, kann man einmal das Leben des Joseph Benzino eher aus seinen familiären Bindungen nähers betrachten, und dies mag wohl ein interessanter Versuch sein.

Unser Joseph (III.) Johann Benzino erblickte am 11. April 1819 im Hause seiner Eltern, in Landstuhl, heute Hauptstraße 24, das Licht der Welt.

Sein Vater Joseph (I.) Emanuel Ignaz Benzino war in zweiter Ehe mit Elisabetha Antoinette Wiest, aus Blieskastel, verbunden. Sein Beruf war Kaufmann, wie schon seine Vorfahren, und außerdem war er auch noch Gutsbesitzer und Mühlenbesitzer. Im Kataster des Jahres 1841 ist sein Besitz mit der Nr. 14 verzeichnet mit 36 Tagwerk/13 Dezimalen, so an Äckern, Wiesen und weiteren Grundstücken; dazu gehörten noch die Untere Mühle (Stadtmühle, an der früheren Stadtmauer) und weitere Gebäude. Auch war er, gemäß Eintragung unter der Nr. 12, beteiligt mit der Hälfte an der Oberen Mühle in Landstuhl und mit einem Drittel am gemeinschaftlichen Familienbesitz von 601 Tagwerk/36 Dezimalen, vorwiegend Wald "Am Kahlenberg". Der Gesamtbesitz der Familie Benzino (2 Generationen) ist im Kataster unter den Nummern 11 bis 18 geführt, 712 Tagwerk/68 Dezimalen umfassend, was ungefähr an 220 Hektar Grundeigentum entspricht.
Der erste Benzino war schon im Jahre 1698 in die Westpfalz eingewandert und in Kusel ansässig. Er ist sonach der Urahne, hieß Andrea(s) Benzino und stammte von Casanova, aus der Gegend um den Comer See. Er war verheiratet mit Anna Maria Catarina Carovè, einer Familie aus Molgisio-Lenno am Comer See entstammend, die dort dem "Kleinen Seeadel" zugeordnet wurde. - Unter den zu früher Zeit des 18. Jahrhunderts schon zu Homburg niedergelassenen Savoyarden werden unter vielen anderen ebenso die Franzano und Teodoro Carovè erwähnt.

Deren Sohn Andreas (II.) Benzino kam nach Landstuhl, um da als Kaufmann, den Beruf eines Handelsmannes zu betreiben (Bürgerliste von 1736: "Dominus Andreas Benzino ex Cusel"). Er vermählte sich im Jahre 1735 mit Anna Philippina Zerlanth; deren Vater stammte aus Kindsbach und war damals Kaufmann und Bürgermeister in Landstuhl. - Beider Grabmäler sind heute noch auf dem alten Friedhof an der Alten Kapelle in Landstuhl zu sehen.

Dies sind also die Urgroßeltern des uns hier mehr interessierenden Joseph Benzino.

Um zu erkennen, in welchem Stand diese Familie so früh schon war, sei aus den Stadtprotokollen von Kaiserslautern des Jahres 1739 zitiert, daß ".... die dortigen Bürger arg in der Kreide bei Andreas Benzino aus Landstuhl saßen."

Es ist davon auszugehen, daß dieser Urgroßvater Andreas (II.) Benzino schon ein Handelsgeschäft betrieb, das zu jener Zeit das Ausmaß eines Großhandelsunternehmens hatte. Diese geschäftlichen Bestrebungen wurden dann weitergeführt durch den Großvater Franz Andreas (III.) Benzino und ebenso vom Vater Joseph (II.) Emanuel Ignaz Benzino, das heißt für eine Zeit von über einhundert Jahren.

Das Leben und die Geschäfte dieser Familie sind selbstverständlich auch im Rahmen der damaligen zeitgeschichtlichen Ereignisse zu sehen, also von den Jahren unmittelbar nach den Verwüstungen und Brandschatzungen in der Pfalz durch die Franzosen sowie den nachfolgenden, bewegten Jahrzehnten bis zur Zeit der Französischen Revolution, dann auch die schweren Jahre von 1792-95, die napoleonische Zeit der sogenannten "Fränkischen Republik", während der die Pfalz französisches Departement war, die Restauration (Biedermeierzeit) und danach die bayerische Zeit ab 1815 bis hin zu den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
Durch Heirat mit den Angehörigen anderer, ebenso gut situierter Familien der näheren und weiteren Umgebung ergaben sich im Laufe der 4 Generationen weitverzweigte verwandtschaftliche Bindungen, so daß sich um den Stamm der Benzino die Namen einer Reihe angesehener Familien in der Pfalz ranken.

Für die Neigung des jungen Benzino war unter anderem der Umstand von entscheidendem Einfluß, daß er bereits im Hause seiner Eltern mit der bildenden Kunst, vor allem der Malerei. eine Beziehung aufnahm. - Damals hatte der Maler, Romantiker und Nazarener Georg Philipp Schmitt aus Heidelberg um das Jahr 1837 zahlreiche Aufträge für die Familie Benzino in Landstuhl auszuführen und weilte dort verschiedentlich auch besuchsweise.

Bezüglich der geschäftlichen Unternehmungen der Benzinos ist bemerkenswert, daß diese sowohl gemeinsame Geschäfte mit ihrem gemeinsamen Besitz, besonders dem Wald "Am Kahlenberg", sowie ebenso unabhängig voneinander Produktion und Handel betrieben, indem letztlich immer der mehrende Nutzen für die ganze Familie maßgebend war.

Aus den entsprechend deutbaren Hinweisen ist zu folgern, daß das Handelsgeschäft des Joseph (I.) Emanuel Ignaz Benzino sicherlich eines der bedeutendsten jener Zeit (1800 bis 1845) der Pfalz war. Demnach wurde wohl mit allem gehandelt, was jenesmal zu den Bedürfnissen des Lebens und der Landwirtschaft sowie der andern Gewerbe gehörte.

Es wären dazu vor allem zum Beispiel zu nennen:

- Saatgut, Mehl, Kastanien (es gab hierfür "Auf der Fröhn" einen eigens angelegten
Kastaniengarten von etwa 3.500 m2)
- Wein, nebst Derivaten wie Branntwein, Essig u.dgl.m.
- Chemische Grundstoffe, wie Salpeter, Soda, Alaun, Pottasche, Kalk usw.
- Grundstoffe für Gerbereien, Lohrinde, Harz, Kolophonium, Leinöl, Terpentinöl, Pech,
Wagenschmiere, Leder,
- Speisesalz, Salz für Gewerbe, Speiseöl,
- Brennöl und Schmieröl, Seife u.dgl.
- Futtermittel, Ölkuchen,
- Baustoffe, Bauholz, Holzkohle, Holzschwellen und Telegraphenstangen später für die
Eisenbahn, Holzkohle für Eisenhütten vor allem,
- Sandsteine aus den eigenen Steinbrüchen,
- Eisen, Eisenwaren, Nägel, Messer, Scheren, Ketten, Werkzeuge und Geräte für Handwerk,
Landwirtschaft usw.

Viele dieser Güter wurden von örtlichen Fachkräften in Heimarbeit hergestellt und von ortseigenen Arbeitskräften in den familieneigenen Betriebsstätten (Mühlen, Harzofen) erzeugt oder von auswärtigen Manufakturen bezogen.- Es ist ohne weiteres einzusehen, daß dieses wirtschaftliche Bestreben einer entsprechenden Anzahl von Menschen den Erwerb für den Lebensunterhalt bieten konnte.

In den Jahren nach 1830 hatte die Herstellung von Brenn- und Schmieröl für das Handelshaus eine herausragende Bedeutung. Dazu wurden vor allem Raps und Rübsen (Kohl) in der Ölmühle (Obere Mühle) zu Öl unterschiedlicher Beschaffenheit verarbeitet. Die dafür erforderlichen Ausgangsstoffe kamen von den Bauern der umliegenden Dörfer vom Landstuhler Bruch und vor allem von der Sickinger Höhe.

Gemäß dem Schreiben des Präsidiums der königlichbayerischen Regierung der Pfalz mit dem Datum des 5. Januar 1854, wird, im Blick auf die Allgemeine Industrie-Ausstellung in München vom 15. Juli bis 15. Oktober 1854, der Vorschlag von der Industrie-Ausstellungs-Prüfungs-Commission für die Pfalz wie folgt mitgeteilt :

1 H. Gradmann, Nägel- und Hufeisenfabrikant in Erbach und
2. Jos. Benzino & Söhne, Oelfabrikanten in Landstuhl.
Aus dem Bereich des Landkommissariats in Homburg wurden keine weiteren Geschäfte vorgeschlagen.

Demnach ist zu erkennen, daß die Oelfabrikation von J. Benzino & Söhne ein sehr hohes Prestige zu jener Zeit haben mußte. Diese waren vor allem die Hauptlieferanten der Bayerischen Eisenbahn in der Pfalz (Ludwigsbahn), die einen recht aufwendigen Bedarf an Brennöl und Schmieröl für die Beleuchtung der Waggons und Signalanlagen sowie für die Schmierung der Achsen und Maschinen hatte.- Auf diesem Gebiet bestand übrigens ebenso Bedarf für Grubenlampen und für die Maschinen im Bergbau.

Das Ausmaß der Ölproduktion aus Raps und Rübsen kann nachvollzogen werden aus dem Auftragsbuch des Drehers Johann Hertel aus Landstuhl, der in den Jahren 1831 bis 1841 durchschnittlich 350 - 450 Stück Faßspunden pro Jahr sowie eine Vielzahl von Spindeln und Hunzköpfen für die Benzinosche Oelmühle lieferte.

Wenn man zugrundelegt, daß damals das Öl in sogenannte Tonnen (Holzfässer) à 200 Litern abgefüllt wurde, so waren diese Produktionsmengen von durchschnittlich 70.000 bis 90.000 Litern pro Jahr.

Von der Pfälzischen Industrieausstellung, die vom 23. September bis 14. Oktober 1860 in Kaiserslautern stattfand, gibt es einen Bericht, in dem die Oelmühle J. Benzino & Söhne nicht erwähnt wird. Überhaupt erscheinen die Benzinos auf keiner der seit 1843 in Kaiserslautern veranstalteten Ausstellungen. Es muß dies allerdings nichts heißen, vielleicht bestand auch kein Erfordernis zur entsprechenden Präsentation, da die betreffenden Geschäftsbeziehungen dies nicht erforderten.
Später, aus mehreren anderen Indizien ist es sehr wahrscheinlich, daß ungefähr um das Jahr 1860 die Oelmühle J. Benzino & Söhne ziemlich schnell eine Einbuße an Bedeutung hatte, waren doch durch die nun einsetzende Industrialisierung größere Ölfabriken an günstigeren Standorten wie vor allem am Rhein, in Ludwigshafen und Mannheim entstanden, zumal ein großes Rohstoffangebot von Holland her auf den Markt kam und andere Verarbeitungsverfahren eingesetzt wurden, für die das Wasserrad nun nicht mehr geeignet war.

Diese, im Jahre 1833 gegründete Firma "Oelmühle J. Benzino & Söhne" bestand aus dem Vater Joseph Emanuel Ignaz und den beiden Söhnen Joseph (III.) Johann Benzino und Franz Benzino. Der zweite der Söhne, ebenso aus zweiter Ehe entstammend, starb schon im Jahre 1843 im Alter von 23 Jahren, und der Vater lebte noch bis ins 83. Lebensjahr.

Die Generation des Vaters war also im Jahr 1858 mit den beiden Brüdern Joseph (I.) Emanuel Ignaz Benzino und im Jahre 1859 mit Johann Joseph (II.) Benzino ausgestorben. Dies erklärt auch, daß im Jahre 1863 der Gesamtbesitz der Familie Benzino, und zwar insbesondere der umfängliche Waldbesitz an die Gebrüder Stumm in Neunkirchen verkauft und das Gesamterbe auf Nachkommen verteilt wurde. Jedoch auch die Handelsunternehmungen wurden schon zu jener Zeit nicht mehr so wie früher betrieben, indem vorweg noch eher das Geschäft mit dem Raps und Rübsenöl im Vordergrund stand.

Es war aber auch keine geeignete Nachkommenschaft vorhanden. Daneben hat aber dieser Gang der Dinge auch mehr mit der frühindustriellen Entwicklung zu tun, die unter anderem zur konzentrierten Verlagerung der Handels- und Produktionsstätten in die größeren Städte führte; Landstuhl war sonach kein geeigneter Ort mehr für derartige Unternehmungen.

Aus dem Aspekt der früheren Jahre mußte der junge Benzino dem Stand seiner Familie nach eine ausgezeichnete Ausbildung wohl zum Beruf des Kaufmanns erhalten, um eines Tages das Erbe seiner Väter in der 4. Generation zu übernehmen und fortzuführen.

Damit wurde ihm eine solide Ausbildung zum Kaufmann zuteil. Schon in recht jungen Jahren lernte Joseph Benzino die großen Handelszentren seiner Zeit kennen, angelegentlich von Geschäftsreisen. So weiß man von Aufenthalten in Paris sowie in Le Havre, Antwerpen, Amsterdam und Norditalien, auch in Frankfurt und in anderen Städten. Durch einen Besuch der Musterschule in Frankfurt wurde diese Berufsausbildung für die damalige Zeit auf eine vorzüglichste Weise zu einem Abschluß gebracht.

Danach, im Jahre 1841 wurde der Bau des eigenen Hauses in der Ludwigstraße begonnen, das im Jahre 1843 fertiggestellt war. - Es ist davon auszugehen. daß die dazu erforderlichen Aufwendungen vom Vater erbracht wurden, zumal dieser zunächst noch der Grundstückseigentümer war.
Der Bau dieses Hauses und die damit einhergehende Anlage dieses Anwesens mußte für die damaligen Landstuhler Verhältnisse ein recht beachtliches Ereignis darstellen. Schon zu dieser frühen Zeit wurde das Gebäude das "Schlößchen" genannt, vielleicht in Erinnerung zu dem an der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes (Hauptstraße) bis zum Jahre 1830 gelegenen Stadtschloß, das einige Jahrzehnte zuvor durch die Grafen von Sickingen dort erbaut worden war.

Dieses Anwesen bestand zunächst, das heißt bevor es später erweitert wurde, aus dem zweigeschoßigen Wohnhaus mit einem nicht ausgebauten Dachraum und sehr schönen Kellergewölben, sowie aus einem Rückgebäude mit Remise, Warenmagazin, Lagerboden und der Waschküche. Dazu gehörten noch ein geräumiger Hof und ein Lustgarten mit einem massivem Gartenhaus nebst Gewölbekeller sowie dem bereits erwähnten Kastaniengarten. Dieses mit einer über 2 m hohen Einfriedungsmauer umschlossene Areal hatte eine gesamte Fläche von angenähert 6.000 m2. - So weiß auch Karl Lohmeyer [08] das schöne Anwesen mit dem herrlichen Garten am Marktplatz viel später noch zu rühmen.

Am 5. November des Jahres 1842 heiratete Joseph Benzino die Tochter Mathilde des königlich-bayerischen Bezirksarztes Dr. Ferdinand Muck aus Kaiserslautern, die am 24. Mai 1822 in Lauterecken zur Welt gekommen war.

Das auf Joseph Benzino als Mensch und später als Kunstmäzen gerühmte Wirken wurde sicherlich zum maßgeblichen Teil auch durch das Zusammenleben mit seiner Frau bestimmt und geprägt. Es muß dies eine harmonische Verbindung gewesen sein; doch leider ist den beiden Menschen die direkte Nachkommenschaft versagt geblieben. Es gibt noch im "Schlößchen" ein Bodenmosaik mit den Initialen dieses Ehepaares, auf überaus sinnige Weise voneinander hervorgehend und verschlungen.
Es ist davon auszugehen, daß Joseph Benzino vom Jahre 1845 an in zunehmenden Maße die Geschäfte des Handelshauses alleine betrieb, da sein Vater aus Altersgründen zurückgetreten sein mochte. Zu jener Zeit wurde immer noch wie seit dem Jahre 1820 der Wald mit der Herstellung von Holzkohlen für das Hüttenwesen ausgebeutet, und ab dem Jahre 1845 kamen dann noch die erhöhten Bedürfnisse an
Bauholz, Holzschwellen und Telegraphenstangen für den Bau der Eisenbahn hinzu.

Mit der Auflösung der Geschäfte und nach der Aufteilung des Familienbesitzes um das Jahr 1860 und wohl auch unter dem Zwang der damaligen Veränderungen der regionalen, wirtschaftlichen Verhältnisse, dürfte Joseph Benzino danach wohl wirklich eher das Leben eines Privatiers geführt haben, er konnte sich dies gewiß leisten, weil genügend aus der Vermögens-Substanz zur Führung des gewohnten Lebensstils zur Verfügung stand. Im Jahre 1863 kam Joseph Benzino als Abgeordneter der national-liberalen Partei in den Bayerischen Landtag und gehörte demselben an bis 1869.

Seinerzeit war der Landtag in München vorübergehend vertagt. - Am 10 März 1864 hatte der junge König Ludwig II. den Thron bestiegen, und danach wurde der Landtag am 27. des selben Monats wieder eröffnet, wozu die Abgeordneten zur königlichen Tafel in die Residenz eingeladen waren.

Auf einer Photographie des königlich-bayerischen Hof-Photographen Joseph Albert ist der Abgeordnete Joseph Benzino im Kreise seiner Kollegen zu sehen, anläßlich der Eröffnung des Landtages für die Sitzungsperiode 1866-1868.

Seit dem Jahre 1867 war Benzino außerdem Mitglied des damals zusammen mit dem Zollbundesrat gegründeten Zollparlaments in Frankfurt, demselben auch bis 1869 angehörend.

Durch eigene Neigungen und besondere Interessen, aber auch durch enge familiäre Beziehungen zu den Malern Theodor Pixis und Eugen Heß und auch durch die im Elternhaus gebotenen Gelegenheiten und Anregungen, wie auch in der Begegnung mit dem Maler Georg Philipp Schmitt, bekam Benzino frühzeitig eine innige Beziehung zur zeitgenössischen Kunst und besonders zur Malerei vermittelt; dazu trugen wohl ebenso die während der Jugendjahre gemachten Reisen und später sicherlich auch die in München weiter zuteilgewordenen Erfahrungen bei. So mußte der Umgang mit Künstlern und die Liebe zur Kunst für den nun nicht mehr im Erwerbsleben stehenden Aestheten Benzino zu einem ganz wesentlichen Teil zum Lebensinhalt geworden sein, indem so manches zeitgenössische Werk der Malerei seine Aufnahme fand in seinen Hausstand.

Das "Schlößchen" wurde deshalb im Jahre 1864 gegen Süden hin um einen Anbau für die Aufnahme der Galerie erweitert, indem ein insgesamt sehr imponierender Bau, in der Art eines Patrizierhauses, in dominierender Lage am Marktplatz entstand. In dieser Architektur ist das Haus unverändert auch heute noch vorhanden.

Das Bauen eines Hauses ist nicht allein eine rein materielle Angelegenheit, sondern diese Tätigkeit hat ebenso Elemente des Irrationalen an sich, so wie es auch in dem Begriff Baukunst zum Ausdruck gebracht wird.

Das Wesen eines Menschen mag sich auch zeigen in der Art, wie er baut und wie er wohnt. Aber dazu findet er auch den zu ihm passenden Baumeister.
Von diesem Gedanken ausgehend, läßt sich also die Menschlichkeit des Joseph Benzino und wohl ebenso seiner Frau daran messen, wie diese ihr Wohnhaus einstens erbauen und gestalten ließen.

An der westlichen Schmalseite des Alten Marktes, damals noch Marktplatz geheißen, unmittelbar an der Ludwigstraße gelegen, wirkt das Gebäude auch heute noch durch seine imponierende Architektur. Von den Fenstern in der Ostfassade aus geht der Blick über den geräumigen Platz zum Burgberg mit der heute wohlgepflegten Ruine der Feste des allseits bekannten Ritters Franz von Sickingen. Dabei mußte das zu Benzinos Zeiten und bis vor einigen Jahren noch vorhandene alte Rathaus durchaus nicht als störend empfunden werden. Inmitten des Platzes stehend, war es geradezu als Pendant zum Schlößchen aufzunehmen, in seiner doch auch repräsentativen baulichen Wirkung.

Schon der im Jahre 1841 erstellte Hauptteil des Hauses hat eine architektonisch und bautechnisch sehr anspruchvolle und solide Ausführung, mit dem Sandsteinmauerwerk und den Sandsteingewänden, den Gurten und den Gesimsen, aus denen auch die ins Gestalterische hineinwirkenden statischen Erfordernisse eines solchen Bauwerks konsequentermaßen zum Ausdruck gebracht werden. Über den auf einer Fundamentierung, die übrigens für moderne Maßstäbe sehr umfänglich angelegt ist, sich aufbauenden schönen Kellergewölben ist der zweigeschoßige Bau mit hochliegendem Erdgeschoß errichtet. Der Dachraum ist als Kniestock ausgeführt mit einem Walmdach. Die Hauptfassaden weisen nach Osten mit 5 Fensterachsen sowie nach Norden mit 3 Fensterachsen; vor der Erstellung des Anbaues zeigte ebenso die Südseite 3 Fensterachsen. Sogar auf der Seite des Hofes ist eine konsequente Fassadengestaltung mit 6 Fensterachsen vorhanden. Alle Fenster sind in einer angenehm zu empfindenden Ordnung akkurat übereinander angeordnet, und zwar vom Keller bis unters Dach. Von ganz besonderem Reiz sind die im Kniestock ausgesparten niedrigen Fenster, wodurch insgesamt eine sehr gefällige Auflockerung an den Hausansichten ringsum gegeben ist. Die Anordnung solch kleinerer Fenster, in Verbindung mit einem Zwischengeschoß (Mezzanin) jeweils zwischen den Hauptgeschoßen oder unter dem Dach, ist ein auch aus praktischen Gründen entstandenes Stilelement der italienischen Renaissance. Damit ist das Auftreten eines solchen Fassadenbildes in der Gegend besonders bemerkenswert. weil auch in dieser Art weit und breit einmalig. Unter dem stilistischen Aspekt ist dieser Teil des Hauses der Neorenaissance einzuordnen.

Die grundrißmäßige Gestaltung des Bauwerks ist klar und offen; damit entspricht dieselbe ebenso durch die Höhe der Räume einem anspruchsvollen Wohnbedürfnis zu jeder Zeit. Dementsprechend ist auch die bauliche Ausgestaltung innerhalb, besonders der Zimmer. Aus dem Erdgeschoß bis ins Dachgeschoß führt eine großzügig angelegte Treppe; das Treppenhaus befindet sich unmittelbar hinter der Haustür an der Nordseite.
Für den in diesem Haus geführten herrschaftlichen Lebensstil spricht unter anderem auch die Aufteilung und Gestaltung im Innern, die trotz einer zeitbedingten Anpassung an die modernen Lebensbedürfnisse im wesentlichen noch erhalten ist.

Der später angefügte Galerieanbau an der Südseite ist ebenfalls zweigeschoßig und hat ebenso schöne Kellergewölbe. Dieser Teil des Hauses ist im Stil klar abgesetzt unter anderem durch ein Flachdach mit Balustraden. Nach der Ostseite ergeben sich nochmals 2 unmittelbar nebeneinanderliegende Fensterachsen, an der Südseite sind 3 Fensterachsen angelegt. Die Bauweise ist ebenfalls solide, wie der ältere Teil des Hauses. Dieser Anbau ist stilistisch dem Neoklassizismus einzuordnen.

Die beiden von unterschiedlichen Bauepochen herrührenden und damit von verschiedenen Baustilen bestimmten Teile des so erweiterten Hauses bilden insgesamt eine harmonische und damit ebenso sehr ansprechende bauliche Einheit.
So hat das Gebäude insgesamt eine Länge von etwa 21 Metern und eine Breite von etwa 12,5 Metern. Die Wohnräume stehen durch Flügeltüren untereinander in Verbindung.

In dem Flachdach befanden sich bis etwa zum Jahre 1905 zwei große Oberlichter zur zweckmäßigen Beleuchtung der im Obergeschoß auf die Breite des Hauses durchgehenden Galerie. Diese Galerie hatte eine Höhe von über 4 Metern. - Es ließe sich also sagen, daß dort die Grundlage der späteren Pfalzgalerie geschaffen wurde.

Zu jener Zeit wurde auch der an der Südseite des Galerieanbaues noch vorhandene Wintergarten, eine verglaste Gußeisenkonstruktion erstellt. Ebenso wurde die Erweiterung des Rückgebäudes ausgeführt mit den für seinerzeit erforderlichen Nebenräumen der Haushaltsführung und so weiter.

Diese persönliche Entwicklung des Joseph Benzino vom jungen, erfolgreichen Kaufmann und Handelsherrn, zum Parlamentarier und Mitglied eines zu jener Zeit sehr bedeutenden Gremiums eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses und weiterhin zum Kunstexperten und Berater des Königs der Bayern mit dem Titel des königlich-bayerischen Hofrates, zeigt auf eine sehr interessante Weise, wie auch schon im vorigen Jahrhundert durch Veränderungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gewisse Umstrukturierungen eintraten, die zugleich ihren Einfluß hatten und bestimmte Menschen somit zur Umstellung im Beruf und Stand brachten oder diese hierzu zwangen. Insoweit spricht es unbedingt für eine vernunftsbestimmte Grundeinstellung von Benzino, daß er sich angesichts der für seinen Stand neuen Situation konsequenterweise auf die förderliche Weise diesem Problem stellen konnte. Es mag wohl unter anderem auch darin das Motiv zu einem Weggang nach München zu finden sein. - So war bei ihm, neben einer ausgeprägten Weltoffenheit eben eine strengste Realitätsbezogenheit ein weiteres Wesensmerkmal, wie sich dies auch durch sein Handeln und hohes Engagement auf sozialen Gebieten unter anderem ebenfalls erkennen läßt.

Letzten Endes hat Benzino damit eine Abkehr von dem ihm angestammten Stand des Handelsherrn vollzogen, vor allem da die weiträumig vordrängenden wirtschaftlichen Entwicklungen mit ihren Einflüssen, spätestens in den frühen sechziger Jahren im 19. Jahrhunderts auch im westpfälzischen Raum bemerkt werden mußten. In diesem Zusammenhang mußte zunächst auch die Fertigstellung der Ludwigsbahn im Jahre 1849 als bedeutend mitwirkender Umstand eingeschätzt werden.

Mit der weiteren Erschließung der Steinkohlebergwerke und dem Ausbau der Hüttenwerke vor allem an der Saar, nebst der damit sich ergebenden Ausweitung der früheren Manufakturen zu Industrien, in Verbindung mit dem Ausbau von weiteren, neuen und unvergleichlich leistungsfähigeren Verkehrswegen, mußten sich auch für einen ziemlich kleinen Wirtschaftsraum. wie dies für Landstuhl und Umgebung damals der Fall war, allmählich erhebliche Veränderungen ergeben haben.- Diese Entwicklung wurde dann nach der Reichsgründung im Jahre 1871 noch viel stärker vorangetrieben.

Vor diesem Hintergrund ist es als eine markante Tat für den Menschen Joseph Benzino zu erkennen, sich in der Residenzstadt des Landes niederzulassen und ein neues Wirkungsfeld wahrzunehmen.

Im Jahre 1878 übersiedelten die Benzinos ihren Hausstand nach München, nachdem sie dort im Jahr zuvor in der Theresienstraße ein großzügig angelegtes, großstädtisches Bürgerhaus im Stile der Neorenaissance erworben hatten, das aber leider den 2. Weltkrieg nicht überdauern konnte. Jedoch wurde der Haushalt in Landstuhl zur weiteren Verfügung selbstverständlich beibehalten für die gelegentlichen Aufenthalte vor allem im Sommer.

Bereits zu jener Zeit war Joseph Benzino tätig als Berater und Sachverständiger in Fragen der bildenden Kunst, sowie Mitglied der "Königlichbayerischen Central-Gemälde-Galerie-Commission" und wurde dazu im Jahre 1892 mit dem Titel eines königlich-bayerischen Hofrates versehen. Zu seinen Aufgaben gehörte es dabei besonders, " ... für Beratung aller Kunstgegenstände, welche sich in der Neuen Pinakothek befinden, beziehungsweise zu deren Inventar zählen ... ", tätig zu sein.

Hofrat Joseph Benzino starb am 13. September 1893 in München. Am 15. September 1893, um 4 Uhr nachmittags wurde er nach Einsegnung durch den Stadtpfarrer der Ludwigspfarrei auf dem dortigen nördlichen Friedhof mit einem Begräbnis 1. Klasse zur Beisetzung gebracht. In den seinerzeit veröffentlichten Nachrufen wurde der Verstorbene in seinem sehr vielfältigen und verdienstvollen Wirken auf gebührende Art gewürdigt. Seine Ehefrau Mathilde Benzino, geb. Muck, starb am 28. April 1903.

Die heutigen Eigentümer des Benzinoschen Wohnanwesens stifteten im Jahre 1981 eine Bronzetafel mit entsprechenden Text, die an dem Galerieanbau angebracht, die hiesige Erinnerung an den Stifter der Pfalzgalerie wachhalten und pflegen soll.


Quellenangaben :

[01] Landesarchiv Speyer
G 1, G 6, G 7
H 1 Nr.Nr. 1398, 2043, H 3 Nr. 220e
H 35 Nr.Nr. 36, 56, 195, 230
L 56, Ww 1
[02] Stadtarchiv Landstuhl D 1 bis D 15
[03] Stadtarchiv Kaiserslautern Abt. B, 628/2
[04] Friedrich Blaul, Träume und Schäume vom Rhein - 1882
[05] Ludwig Dahl, Landstuhl, Seine Vergangenheit und Gegenwart - Landstuhl 1908
[06] Dr. Karl Lohmeyer, Lebensgeschichte von Simon Joseph Schmitt, Doktor der Philosophie, Neue Heidelberger Jahrbücher - 1924
[07] Dr. Karl Lohmeyer, Georg Philipp Schmitt, ein Pfälzer Maler der Romantik, Kaiserslautern 1926
[08] Dr. Karl Lohmeyer, Landstuhl, seine bürgerlichen Geschlechter und sein Maire
J. A. Mayer, Kurpfälzer Jahrbuch - Heidelberg 1928
[09] Dr. Karl Lohmeyer, J. A. Mayer, Maire und Kantonspraesident von Landstuhl
- Landstuhl 1947
[10] Theodor Knocke, Chronik der Stadt Landstuhl - Neustadt 1975
[11] Otto Müller, Gerhardsbrunn, ein Dorf der Sickinger Höhe - Otterbach 1977
[12] August Becker, Die Pfalz und die Pfälzer - Neustadt 1967
[13] Dr. Werner Weidmann, Streiflichter durch die Wirtschaftsgeschichte ...
- Otterbach 1976
[14] Dr. Werner Weidmann, Aus der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Landstuhls ...
- Kaiserslautern 1978
[15] Dr. Werner Weidmann, Beitrag im Jahrbuch von Stadt und Landkreis Kaiserslautern
S. 289 ff - Otterbach 1982
[16] Ludwig Ruprecht, Westricher Anzeiger Nr. 52/53 1981 und Nr. 1-4 1982 - Ramstein (zur Biographie von Joseph Benzino)
[17] Dr. Hermann Klaue, Die deutsche Ölmüllerei - Leipzig 1913
[18] Weitere Hinweise und Anregungen :
Roland Paul, Kaiserslautern 1981
Brigitte Lieser-Adjaz, Landstuhl 1984
Margarethe Dahl, Landstuhl 1985
Wilhelm Bußer, Ramstein 1986
Wieland Jung, in "Die Rheinpfalz", 17.09.1988
Dr. Karlwerner Kaiser, Speyer 1990


Landstuhl, den 10.01.1997 Jg/Mm


Über die Vermächtnisse des Verstorbenen Herrn Hofrats Benzino erfahren wir folgendes: Die von Herrn Hofrat Benzino im Laufe der Jahre angekaufte Gemälde-Sammlung, bestehend aus etwa 145 Gemälden zum ungefähren Ankaufspreis von 130.000 Mark wird nach dem Ableben der Frau Hofrat Benzino nebst 50.000 Mark in Bar zur guten Aufstellung und Bewachung dem Gewerbe-Museum der Stadt Kaiserslautern überwiesen.

Außerdem wurde bestimmt: Nach dem Ableben der Frau Hofrat Benzino erhält die Stadt Landstuhl für Wohltätigkeitszwecke, hauptsächlich Schulfonds, 30.000 Mark ausbezahlt: Ferner erhalten und zwar sofort ausbezahlt:

1.Armenhaus des St. Johannis-Vereins Landstuhl 10.000 Mark
2. Armen von Landstuhl 5.000 Mark
sodann
3. Künstler-Unterstützungs-Verein München 50.000 Mark
4. Frauen-Verein zur Unterstützung von Künstler-Witwen und
-Waisen in München 25.000 Mark
5. Verein für freiwillige Armenpflege in München 5.000 Mark
6. Münchener Künstler-Genossenschaft zum Fonds
zur Erwerbung eines Hauses 5.000 Mark
7. Knabenhort München 5.000 Mark
8. Diakonissen-Anstalt München 5.000 Mark

Nach einer aktuellen Zeitungsmitteilung im Jahre 1893 (Landstuhler Zeitung)
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